Viel wurde bereits über die Wahlergebnisse geschrieben, doch ein Aspekt wurde dieses Mal erstaunlich wenig beachtet: die Unterschiede im Wahlverhalten zwischen Stadt und Land. Es ist keineswegs eine neue Feststellung, dass urbane und ländliche Gebiete politisch auseinanderdriften. Dieses Phänomen erklärt aber den Aufstieg der SVP und die Schwäche der Linken zu einem guten Teil, was bisher medial kaum Beachtung fand.
Im ganzen Kanton Luzern haben 2015 20.7% der Wählerinnen und Wähler SP oder Grüne gewählt (2011: 19.8%). Mit der GLP zusammen erreichte Rot-Grün 26.5% (2011: 25.9%). Somit wählte nur jeder Fünfte, respektive Vierte die Linke (je nach Zählweise mit oder ohne GLP). Der Kanton Luzern tickt somit klar bürgerlich.
Ganz anders sieht es jedoch in der Stadt Luzern aus: Hier wählten 2015 39.1% Rot-Grün (2011: 37.6%), inklusive der GLP sogar 47.8% (2011: 46.5%). In der Stadt wählt also die Hälfte Rot-Grün-GLP. Die Stadtbevölkerung ist somit gespalten zwischen links und rechts.
Der Unterschied bei der links-grünen Wählerschaft zwischen Stadt und Kanton Luzern beträgt somit rund 20%! Während links-grüne Parteien in der Stadt fast eine Mehrheit erreichen, fristen sie auf kantonaler Ebene ein Mauerblümchendasein. Ähnliche Unterschiede finden sich auch beispielsweise in Bern oder Zürich.
Daraus lassen sich zwei Folgerungen ziehen: Erstens wird es zunehmend schwierig, in wichtigen Dossiers einen Konsens zwischen Stadt und Kanton zu finden. Dies wäre jedoch in finanz- oder verkehrspolitischen Fragen wichtig. Zweitens wächst die Schweiz fast ausschliesslich in den Agglomerationen und nicht in den Städten. Dadurch erhalten Rechtsparteien automatisch mehr Zulauf. Es erstaunt deshalb nicht, dass die Linke am Wahlsonntag einzig in Zürich einen deutlichen Sieg verbuchen konnte – im urbansten Kanton der Schweiz. Ländliche Kantone wie Luzern driften jedoch mit der zunehmenden Zersiedelung politisch nach rechts.
Was heisst das nun für die städtischen Wahlen, die bereits im Mai 2016 anstehen? Die Linke wird bei den Parlamentswahlen gesamthaft und entgegen dem Schweizer Trend eher zulegen, wobei die SP tendenziell auf Kosten der Grünen Wähleranteile gewinnen wird. Die SP konnte ihren Wähleranteil sowohl bei den Kantonsrats- wie auch jetzt bei den Nationalratswahlen in der Stadt Luzern deutlich (um bis zu 4%) steigern. Sitzgewinne für die SP nächstes Jahr wären also keine Überraschung. Innerhalb des bürgerlichen Lagers sind leichte Verschiebungen von CVP (und FDP) hin zur SVP möglich, wobei die SVP bei städtischen Wahlen stets schlechter abschnitt als bei kantonalen oder nationalen Wahlen, weshalb diese Prognose mit Vorsicht zu geniessen ist.
Spannend wird die Frage, ob die drei Parteien Grüne, SP und GLP eine Mehrheit im Stadtparlament erreichen werden. Vieles deutet hier auf ein sehr knappes Ergebnis hin. Auch wenn die mediale Aufmerksamkeit wohl auf die Exekutivwahlen gerichtet sein wird, dürfte diese Entscheidung von grosser Bedeutung sein: Wird die städtische Bevölkerung den ökologischen Mitte-Links-Parteien eine Mehrheit zugestehen oder nicht?
Bei den Wahlen in den Stadtrat dürfte es dem SVP-Kandidaten schwer fallen, eine Mehrheit der Stadtbevölkerung von sich zu überzeugen. Wenn Grüne, SP und GLP die Hälfte aller Wählerstimmen für sich beanspruchen können und die Kandidatur aus der CVP – wenn überhaupt – höchstens lauwarm unterstützt wird, dann reicht es der SVP bei städtischen Exekutivwahlen weiterhin nicht für einen Sitz.