Olivier Dolder prognostiziert in seinem Artikel vom 16. März 2012 gute Chancen für einen grünliberalen Stadtratssitz. Die drei Szenarien (fünfter Sitz entweder an SP, GLP oder SVP – ansonsten konstante parteipolitische Zusammensetzung mit je einem Sitz für FDP, CVP, SP und Grüne) sind sehr plausibel. Ebenfalls einleuchtend ist die Argumentation, dass die Grünliberale Kandidatin Manuela Jost Chancen hat, gewählt zu werden, wenn sie von Wählerinnen und Wählern der Mitte-Parteien CVP und FDP fleissig panaschiert wird.
Dass dem so sein wird, glaubt der Autor durch die Panaschierstatistik vergangener Legislativ-Wahlen erklären zu können. Er erwähnt dabei, dass «diese Angaben nicht direkt auf die Stadtratswahlen übertragen werden [können], da es sich um Resultate von Parlamentswahlen handelt». Meines Erachtens dürfen sie jedoch schlicht und einfach gar nicht übertragen werden.
Majorz- und Proporzwahlen folgen ganz unterschiedlichen Logiken. So ist es beispielsweise erwiesen, dass kleine Parteien (wie die GLP) fast immer mehr Panaschierstimmen erzielen als grosse Parteien. Dass Manuela Jost mehr Panaschierstimmen erzielt hat als ihre Konkurrenten, hat damit auch sehr viel mit ihrer Parteizugehörigkeit, und nicht nur mit ihrer Person zu tun. Ob dies bei Exekutivwahlen ebenfalls der Fall ist (wo es noch viel mehr um die Person und weniger um das Parteibuch geht), ist keineswegs erwiesen.
Zudem werden auch noch Proporzwahlen von Kanton und Stadt und von verschiedenen Zeitpunkten (2004, 2007, 2009, 2011) in einen Topf geworfen. Hier ist die Vergleichbarkeit zwischen den Kandidierenden ganz sicher nicht gegeben.
Auch basiert die Argumentation auf der Annahme, dass es nur um den fünften Sitz einen zweiten Wahlgang geben wird. Auch dies scheint mir alles andere als klar zu sein. Ein anderes Szenario, das bei der relativ hohen Hürde des absoluten Mehrs im Kanton Luzern durchaus auch denkbar wäre: Nur die beiden bisherigen Stadträte werden im ersten Wahlgang wiedergewählt. Dann sieht alles plötzlich ganz anders aus.
Fazit aus meiner Sicht: Zu viele Unsicherheiten für eine solide politikwissenschaftliche Prognose!